Stellungnahme des SoVD zur Diskussion um Kinderarmut
Stellungnahme an:
Schleswig-Holsteinischer Landtag
Frau Katja Rathje-Hoffmann
Vorsitzende des Sozialausschusses
Per E-Mail
Verfasst von:
- Landesgeschäftsstelle Referat Sozialpolitik und Kommunikation
Tel. 0431 65 95 94 – 24
Fax 0431 65 95 94 – 95
sozialpolitik@sovd-sh.de - Alfred Bornhalm, Landesvorsitzender
- Kirsten Grundmann, Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses
- Dr. Thorsten Harbeke, Referat Sozialpolitik und Kommunikation
Sehr geehrte Frau Rathje-Hoffmann, sehr geehrte Damen und Herren,
als größter Sozialverband in Schleswig-Holstein mit über 170.000 Mitgliedern bedanken wir uns für die Gelegenheit zu Stellungnahme. Das erschreckende Ausmaß der Kinderarmut in unserem Bundesland treibt uns ganz besonders um. Wir haben in den vergangenen Monaten leider den Eindruck gewinnen müssen, dass diesem Thema sowohl auf Bundes-, als auch auf Landesebene nicht die gebotene politische Aufmerksamkeit geschenkt wird. Mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass die Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages mit den vorliegenden Anträgen das Thema Kinderarmut auf die Agenda gesetzt haben. Passiert ist seither: fast nichts! Deshalb hat unsere Stellungnahme zu den vorliegenden Anträgen vom 4. Juli 2023 weiterhin Gültigkeit. Am 21. Februar 2024 hat der SoVD Landesverband Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Kinderschutzbund, der AWO und dem DGB Nord vor dem Landeshaus für mehr Engagement gegen Kinderarmut demonstriert. Am 14. März wurde dann – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit – der Kinderarmutsbericht der Landesregierung auf der Kinderarmutskonferenz präsentiert. Dabei ist das Problem und auch das Ausmaß der Kinderarmut in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein seit Jahren bekannt und wissenschaftlich erforscht. Was wir brauchen sind nicht weitere Zahlenwerke, sondern politische Konzepte zur Beseitigung dieses empörenden Missstandes.
Antrag der Fraktionen des SSW und der SPD, Drucksache 20/781 (neu)
Wir begrüßen weiterhin die in dem Antrag zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung, die etwa 100.000 Kinder, die in Schleswig-Holstein in Armut aufwachsen müssen, aus dieser Armut zu befreien. Die Kernforderung hierzu, nämlich die Aufforderung an die Landesregierung, sich im Bund für die Einführung einer Kindergrundsicherung stark zu machen, ist mittlerweile einigermaßen obsolet geworden, da die vorliegenden Planungen zur Kindergrundsicherung auf Seiten der Bundesregierung aufgrund handwerklicher Fehler derart umstritten sind, dass mit einer Einführung in dieser Legislaturperiode kaum noch zu rechnen ist. Zwar teilen wir die Auffassung, dass familienpolitische Leistungen im Hinblick auf armutsgefährdete Kinder tatsächlich zu einer „Bringschuld des Staates“ werden müssen, allein die Bündelung von ansonsten in der Höhe nahezu unveränderten Leistungen wird nicht in nennenswertem Umfang Kinder aus der Armut befreien können. So, wie es bislang aussieht, wird sich trotz „Bündelung von Leistungen“ insbesondere für Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen auch kein vereinfachter Zugang zu diesen Leistungen ergeben. Aus diesen Gründen kann die Einführung der Kindergrundsicherung in der bislang vorliegenden Form allenfalls ein erster kleiner Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung von Kinderarmut sein. Wir brauchen dringend eine echte Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums.
Wir begrüßen das Ziel der Antragsstellerinnen, die frühkindliche Bildung in den Kindertageseinrichtungen des Landes zu verbessern und kostenfrei auszugestalten. Angesichts des dramatischen Fachkräftemangels in den Kindertagesstätten rückt dieses Ziel jedoch leider in weite Ferne.
Antrag der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 20/875
Die erste Forderung des Antrages der Regierungsfraktionen, nämlich die Durchführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Kinderarmutskonferenz, ist mittlerweile eingelöst. Am 14. März hat diese im kleinstmöglichen Rahmen und unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit tatsächlich stattgefunden. In unseren Augen trägt diese Veranstaltung sowie der dort präsentierte Kinderarmutsbericht kaum etwas zur konkreten Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Armut bei. Wir brauchen dringend auch in Schleswig-Holstein eine Sozialberichterstattung, die auch Lösungskonzepte beinhaltet. Wir begrüßen es weiterhin ausdrücklich, dass sich die Regierungsfraktionen mit ihrem Antrag hinter dem Ziel der Einführung einer Kindergrundsicherung durch die Bundesregierung versammeln, auch wenn wir weiterhin unsere Kritik an dem in dem Antrag enthaltenen Narrativ von vermeintlich faulen Eltern als Ursache von Kinderarmut aufrechterhalten. Nach einem Jahr Vorlauf seit dem Einbringen des vorliegenden Antrages hätten wir uns dezidierte Erkenntnisse zur Verbesserung der Effizienz von Bildungs- und Teilhabeleistungen gewünscht. Im Hinblick auf die dramatische Situation in der frühkindlichen Bildung und auch hinsichtlich der Kürzungspläne in der Sozial- und Jugendarbeit aufgrund der knappen Haushalte müssen wir das Engagement der Landesregierung in der Sozialpolitik stark in Zweifel ziehen.
Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
Alfred Bornhalm
Landesvorsitzender
Kirsten Grundmann
Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses
Dr. Thorsten Harbeke
Referat Sozialpolitik und Kommunikation
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